Elektroauto-Lieferprobleme: Ursachen und mögliche Lösungen Lieferstau: Hohe Elektroauto-Nachfrage überrascht Hersteller

Die Stimmung bei den Herstellern von Elektroautos könnte nicht besser sein: Die Zulassungsraten für die Null-Emissionen-Fahrzeuge und Hybrid-Autos steigen zweistellig. Doch während bei Herstellern gut Laune angesagt ist, stehen die Zeichen auf Käuferseite eher auf Frust. Der Grund: Die hohe Nachfrage nach E-Autos bringt die Hersteller in Lieferprobleme.

Wer ein Elektroauto bestellt, muss oft monatelange Wartezeiten in Kauf nehmen

Lieferprobleme: Große Nachfrage nach Elektroautos

Wer ein Elektroauto kaufen will, muss sich hinten anstellen. Zumindest, wenn es um beliebte Modelle wie den E-Smart oder den e-Golf von Volkswagen geht. Bei Letzterem wurde aufgrund der steigenden Nachfrage die Produktionskapazität in der Gläsernen Manufaktur in Dresden verdoppelt. Wer jetzt an hunderte von Fahrzeugen denkt, die aus der Fertingshalle auf den Werksparkplatz rollen, wird enttäuscht sein. Geplant ist eine schrittweise Steigerung der Fertigung von 36 auf 72 Fahrzeuge am Tag.

„Wir bereiten so auch die Elektro-Offensive der Marke Volkswagen vor, die ab 2020 mit den ersten Fahrzeugen auf der Basis des modularen E-Antriebsbaukastens in Zwickau gezündet wird“, so Volkswagen-Sprecher Prof. Dr. Siegried Fiebig.

Auch BMW arbeitet am Aus- und Umbau seiner Produktsstätten: „Derzeit bereiten wir alle Werke der BMW Group auf Elektromobilität vor“, so der BMW-Vorsitzende Harald Krüger auf der Münchner IAA Preview 2017. In Zukunft werde man in der Lage sein, jedes Modell mit jedem beliebigen Antrieb auszustatten. Zwei flexible Fahrzeugarchitekturen und ein flexibles Produktionsnetzwerk erlauben es dann, schnell und effizient auf die Wünsche der Kunden zu reagieren.

Der Hyundai IONIQ ist ein begehrtes Elektroauto, das die Umwelt schont und gut aussieht

Riesige Zuwachsraten bei Zulassungen von Elektrofahrzeugen

Ob Privatpersonen so lange warten wollen, bleibt offen. Spätestens seit das Damoklesschwert möglicher Fahrverbote über den Dieselfahrzeugen schwebt, wird für viele Autofahrer der anstehende Autokauf immer mehr zu einer strategischen Entscheidung, um zukünftige Werteverluste zu vermeiden. Laut dem Kraftfahrtbundesamt ging der Anteil dieselangetriebener Pkw im Februar gegenüber dem Vorjahr um 19,5 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos um 64,7 Prozent. Zwar stellt diese Kraftfahrzeuggruppe gerade einmal ein Prozent der Neuzulassungen, die hohe Wachstumsrate bestätigt aber das große Interesse an den Fahrzeugen mit Null-Emission-Antrieben.

Auf jeden Fall müssen sich Käufer auf lange Wartezeiten einstellen, wenn sie ein Elektroauto kaufen wollen. Wie die Branchenzeitung Automobilwoche in einer Umfrage herausfand, warten Kunden derzeit bis zu einem Jahr auf ein neues Fahrzeug. Dies gelte sowohl für deutsche Hersteller wie auch für Importeure. So würden Hyundai Kunden Wartezeiten von bis zu einem Jahr für ihren IONIQ Elektro in Kauf nehmen müssen.

Die politische Lösung: Bundesregierung setzt auf Batterien und Brennstoffzellen

Die Bundesregierung unterstützt die Elektromobilität und setzt dabei auf zwei Energieträger: So soll der Strom, den Elektrofahrzeuge benötigen, entweder von leistungsfähigen Batterien kommen oder von einer Brennstoffzelle bereitgestellt werden. Bei der Brennstoffzelle wird die chemische Energie von Wasserstoff direkt in Strom umgewandelt. Elektrofahrzeuge laden ihr Elektroauto dann an Ladestationen auf oder tanken gasförmigen Wasserstoff an Tankstellen. Beide Verfahren stoßen lokal keine klima- und gesundheitsschädlichen Emissionen aus.

Der ehmalige Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, scheint beim Thema Elektromobilität aber weniger den privaten Individualverkehr im Blick gehabt zu haben: „Elektromobilität hat großes Potenzial – insbesondere im öffentlichen Nahverkehr und im städtischen Wirschaftsverkehr“, so der Bundesminister auf der Webseite des BMVI.

Beim Anteil neu zugelassener Elektroautos nimmt Deutschland 2030 keine Spitzenposition ein

Industrie ist sicher: „Die globale Automobilität wird in Zukunft elektrischer.“

Mehr politisches Engagement wünscht sich derzeit auch der stark vom Verbrennungsmotor abhängige Industrieverband Giesserei-Chemie e.V. (IVG). Ver Verband ist davon überzeugt, das die globale Automobilität in Zukunft aller Skepsis zum Trotz elektrischer werde. Der Verein organisiert die führenden Hersteller von Gießereichemikalien in Deutschland. Ein Hauptabsatzmarkt ist die Produktion von Verbrennungsmotoren für die Automobilindustrie.

In einer Auftragsanalyse, die das Center of Automotive Management für den IVG durchführte, kommen die Analysten zu dem Ergebnis, dass sich die E-Mobilität durchsetzen werde. Die Prophezeiung: 2030 werden in Deutschland fast 30 Prozent der Neuzulassungen E-Fahrzeuge sein, was einen jährlichen Absatz von rund 900.000 Pkws bedeuten würde. „Insgesamt werden dann rund 6 Millionen Elektro-Pkw auf deutschen Straßen fahren“, so ein Ergebnis der Analyse.

Was sich potenzielle Käufer eines Elektroautos wünschen

Als Gründe für die geringe Akzeptanz der E-Fahrzeuge sieht der IVG die geringe Reichweite, den hohen Preis und die geringe staatliche Förderung. Hinzu kämen ein vergleichsweise kleines Produktangebot und „vor allem aber die mangelhafte (Schnell-)Lade-Infrastruktur. Nutzer würden sich dort öffentliche Ladestationen wünschen, wo sie oft parken.

„Daher fordern wir von der Bundesregierung den schnellen und konsquenten Ausbau des Ladestation-Netzes und ein normiertes Bezahlsystem für die Nutzer“, so IVG-Vorsitzender Dr. Carsten Kuhlgatz. Bei ausreichender Netz- und Lade-Infrastruktur würden Kunden niedrigere Reichweiten in Kauf nehmen.

Kurzanalyse: Lieferengpässe bei Elektrofahrzeugen

Es scheint als habe die Industrie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Politisch wurde die Elektromobilität hofiert und beim Endkunden Erwartungen geweckt. Das Dieselverbot dürfte bei Privatpersonen wie ein Weckruf gewirkt haben: Denn ein Auto kostet viel Geld, das erst einmal erarbeitet werden will. Wer jetzt über eine Neuanschaffung nachdenkt, wird mit Sicherheit auch ein Elektroauto zumindest auf dem Anschaffungsradar haben. Politik und Industrie stehen nun plötzlich vor dem Problem, nicht liefern zu können. Begrüßenswert ist jedoch, dass die gestiegene Nachfrage als Weckruf angesehen werden kann. Jetzt müssen Taten folgen.

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Ulrich Klein

Alexa-Evangelist und Digital Native. Schrieb vor seinem Start bei home&smart als freier Technikjournalist und Redakteur für verschiedene Verlage und Redaktionen, u.a. T3 (Tomorrow's Technology Today), Süddeutsche Zeitung, connect, Handy Magazin, iBusiness oder magnus.de. Spezialthemen: Smartphones, Mähroboter, Einbruchschutz. 

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